Samstag, 1. November 2008

Wenn die Börsenkurse fallen

Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.

Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen - echt famos!

Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.

Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.

Trifft’s hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken -
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!

Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.

Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.

Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und - das ist das Feine ja -
nicht nur in Amerika!

Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen -
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.

Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht.”


Gefunden bei: Der Rote Salon - Zitat des Tages 30.10.2008

Mit Quellverweis auf Kurt Tucholsky (1890-1935), des es - so wird im Internet behauptet - 1930 in “Die Weltbühne” veröffentlicht hat.
Wer Bedenken bezüglich des Urhebers hat, findet sich bestätigt bei Onlinereport, Sudelblog und anderen.
Ich find's amysant zu lesen, deshalb ist es hier.

Donnerstag, 17. Januar 2008

Müssen

Ein Mensch, der morgens mit Verdruss
sich sagt, dass er jetzt aufsteh'n muss,
und der beim Anblick leerer Dosen
sich quält in seine Ausgehhosen,

weil er sich sagt, "Jetzt muss ich laufen,
und frische Kaffeebohnen kaufen",
läuft unentwegt wie ferngesteuert
durch diese Welt. Denn er beteuert,

dass die Kraft irgendwelcher Mächte
es wäre, die ihn dazu brächte,
Dinge zu tun. Es ist das Sollen,
das ihn bewegt, und nicht das Wollen.

Ein and'rer Mensch springt voll Elan
aus seinem Bett und zieht sich an.
Er will zum nächsten Laden laufen,
und frische Kaffeebohnen kaufen.

Er sagt sich, dass ein guter Morgen
es wert ist, Bohnen zu besorgen,
weil er zum Start in diesen Tag
gern einen Kaffee trinken mag.

Der Zweite weiß, dass ER entscheidet.
Er fühlt sich frei. Der Erste leidet.
Was kann ich lernen, von den beiden?
Es liegt an mir, mich zu entscheiden.

Ersetz' das Müssen ich durch Wollen,
dann ist er weg, der Zwang vom Sollen.
Durch diese neue Art zu sprechen
kann ich mit der Gewohnheit brechen,

und alles, was ich unbesehen
tat, zukünftig aktiv begehen.
Probier wie's ist, wenn du dir sagst
dass das, was du tust, du tun magst.

R@iner, 17.01.2008 (frei in Anlehnung an Eugen Roth)

Mittwoch, 16. Januar 2008

Irrtum

a Wer schätzt das schon, wenn er zum Schluss
a der Diskussion erkennen muss,
b dass das, was er mit Herz anstrebte
b die Diskussion nicht überlebte.

a Doch auch wenn's schmerzt unrecht zu haben.
b Aus Irrtum Neues zu erkennen
a ist als die beste aller Gaben
b des Lebens zweifelfrei zu nennen.

a Ja, mehr als das. Wer lebt, der irrt.
b Wer nicht irrt, lebt nicht.
b Wer weiß, dem fehlt Licht.
a Ich seh' dir's an, du bist verwirrt.

a Ich will versuchen, aufzuklären:
a Wer alles weiß, ja dem verwehren
b die fest gefassten Vorurteile
b den Blick auf's Neue. Er verweile

a jeder Beweglichkeit beraubt.
b Zur Regungslosigkeit verkommen
a hat er, unwissentlich verstaubt,
b den Tod bereits vorweggenommen.

a Nur der, der irrt,
b ist mit dem Leben in Kontakt.
b Weil er vom Kenntnisdrang gepackt
a nach Wissen giert.

a Kehrt sich das Wesen einer Sache
a ins Gegenteil, nimm's hin und lache.
b Kann's denn nach Täuschung schön'res geben,
b als Ent-Täuschung zu spüren? Eben.

a Gar mancher wird vom Drang getrieben,
b in Gut und Bös' zu unterscheiden.
a Doch alle, die die Wahrheit lieben
b tun gut daran, das zu vermeiden.

a Die Münze hat nur eine Seite,
b der Gegensatz ist völlig nichtig:
b Nichts ist ganz falsch, nichts ist ganz richtig.
a Auf dass dies deine Seele leite!

a Nein, das ist keine Zeiterscheinung.
a Weiß mich mit Platon einer Meinung,
b dank Sokrates gibt's den Beweis:
b Ich weiß genau, dass ich nichst weiß. (*)


(*) Nachsatz:
Das dumme an dem Satz ist nur,
er ist selbst wider die Natur:
Denn wenn ich weiß,
dass ich nichts weiß,
dann müßt' ich logisch draus ermessen,
dass ich's nicht weiß, ich hab's ... vergessen.

R@iner, 16.01.2008

Sonntag, 13. Januar 2008

Zwischentraum

Neulich hatte ich zwei Träume.
In einem ging's um Pappelbäume.
Die Bäume standen Baum an Baum
und bildeten des Waldes Saum.
Im zweiten waren es die Latten
von einem Zaun, die fahlen glatten,
die lagerten im Keller dumm.
Bloß Latten. Ohne was herum!

Du fragst warum sie dieses taten?
Nun, wenn du magst, kannst drei mal raten.
Komm! Streng dich an! Eins, zwei und drei.
Ok, tut leit. Zeit ist vorbei....
Der Saum der aufgereihten Bäume
stand wegen seiner ... Zwischenräume.
Denn gäb' es die nicht, wäre diese
Reihe bloß eine ... Blumenwiese.

Die Latten lagen längst vergessen,
weil Morgenstern profitversessen
einen Architekt erfand,
der hinterrücks und kurzerhand
den Zischenraum herausgenommen.
Der Lattenzaun war arg verkommen.
Vormals in Reih und Glied und Stolz,
verrottet' er zu Zunderholz.

Der erste und der zweite Traum
bildete einen Zwischenraum.
Der war exakt, man glaubt es kaum,
geschaffen für 'nen Zwischentraum.
Zwischenraum um Zwischenraum
verließ in diesem Zwischentraum
den heimeligen Pappelsaum
eilig in Richtung Kellerraum.

Ich sag dir, das war ein Hallo!
Die Latten waren riesig froh,
denn Zwischenraum an Zwischenraum
ergab nun einen neuen Zaun.
Allein die armen Pappelbäume
verwelkten ohne Zwischenräume.
Der Zaun stellte sich flugs auf diese
so neu entstand'ne Blumenwiese.

Und die Moral von der Geschichte:
Als Architekt nimm besser nicht e-
hern gerat'ne Zwischenräume
zum Bau deiner Behausungsträume.
Denn was als stolzer Wurf gehandelt,
hat sich zum Bumerang gewandelt
und grau und alt und pechgeplagt
bleibst du auf ewig fortgejagt.

Und den Senaten sei geraten,
die unrühmlich scheinenden Taten
von Künstlern und von Häuselbauern
ganz still und leise zu betrauern,
anstatt die Objekte, die miesen,
wegzuschließen. Nachgewiesen
sind des Senates Kellerräume
zu klein für welke Pappelbäume.

R@iner, 13.01.2008

Freitag, 11. Januar 2008

Schein und Sein

Blickst du gelassen auf die Welt,
dann hast du schnell mal festgestellt,
dass alles, was dir deucht real,
in Wirklichkeit - es ist fatal -
ist weiter nichts als blasser Schein.
Du sagst dir dann, es kann nicht sein,
denn alles, was ich glaub zu fassen,
kann ich im Grunde offen lassen.

Kaum dass ich mir ein Bild gemacht,
kommt einer, der mir rät: "Gib acht!
Nichts, was dir wahr und wirklich scheint,
ist von der Wirklichkeit geeint,
als Wahrheit unumstößlich echt."
Im Gegenteil. Ist's gut, ist's schlecht?
Oft ist er weit entfernt, der Schein,
vom echten unumstritt'nen Sein.

Nimm beispielsweise einen Mann,
der griesgrämiger nicht sein kann.
Du denkst, er ist ein alter Scherben,
der hofft, so schnell wie's geht zu sterben.
Dabei ist er, sobald die kleinen
Enkel in seiner Nähe greinen
ein Vorzeig-Opa erster Klasse,
der allerbeste in der Gasse.

Oder blick' zum Himmelszelt,
das gleichförmig umspannt die Welt.
Die Sterne scheinen regungslos.
Und doch, der Eindruck, er ist bloß
ein trügerischer Schein: Den Sternen
ist eigen, dass sie sich entfernen.
Und einige - ist's Fluch, ist's Segen -
kommen uns rasend schnell entgegen.

Oder nimm Banknoten. Geld
ist übermächtig auf der Welt.
Was steckt denn hinter den Geldscheinen,
von denen wir geduldig meinen,
sie stünden da für Wohl und Stand,
sie wär'n für Leistung gutes Pfand.
Sie wär'n für Investment bereit,
für Glück und Unabhängigkeit.

Es ist der Glaube ganz alleine,
der unscheinbare bunte Scheine
zum "Wertpapier" macht. Der Geld-Schein
ist doppelt an-greif-bar im Sein:
Zum Einen kann man ihn anfassen,
betasten, riechen, fallen lassen.
Und man kommt zweifelsfrei zum Schluss,
dass dieses Ding wohl "seien" muss.

Zum And'ren fragt man sich beklommen,
wie ist der Wert hinein gekommen?
Der Wert, der sicherstellt, dass man
sich mit dem Ding "was leisten kann".
Die Leistung, denkt man, steckt gefroren
in des Geldscheines feinen Poren.
Wie viel davon, es klingt verrückt,
steht bunt in Ziffern aufgedrückt.

Es ist der Glaube an die Kraft
der Notenbanken, der es schafft,
unser aller emsig Streben
gegen bunten Schein zu geben,
und dass zirkulierendes Geld
zum Motor wird für diese Welt-
wirtschaft. Lasst uns jetzt nicht vergessen,
man kann die Geldscheine nicht essen.

Macht's Sinn ein Leben lang zu laufen,
um diese Zettel anzuhaufen?
Wie wär's damit, sie zu benützen,
Erlebbares zu unterstützen?
Letztlich wird doch aus jedem Schein
erst dann echtes fühlbares Sein,
wenn sich die Leistung irgendwann
aus dem Papier entfalten kann.

So viel zum Geld-Schein. Doch im Grunde
hat Sein und Schein noch eine Kunde:
Egal, welches Bild wir uns machen,
es bleibt beim Schein: Schlicht alle Sachen,
die SIND bild-en wir in uns ab.
Ein-Bild-ung nennt man's kurz und knapp.
Das Substantiv (Namenwort, Nomen),
das diene uns als warnend Omen.

R@iner, 11.01.2008

Sonntag, 6. Januar 2008

Sternsinger - ein Alternativgedicht

Am Stecken pickt ein Plastikstern,
wir schnorren Kohle für den Herrn.
Wir singen falsch und ohne Stimmen
und lassen uns're Kasse klingen.

Kaspar schlingt die Schokolade
und Kekse. Nichts ist ihm zu schade.
Gebt ihm Marie, gebt ihm das Geld,
denn sonst ist's schlecht um euch bestellt.

Der Melchior kriegt auch Moneten,
denn sonst pickt er euch ungebeten
den ausgelutschten Kaugummi
selbsthaftend auf das Sesselknie!

(Äh - eigentlich heißt's Sesselbein,
doch fällt mir d'rauf kein Reim mehr ein.)

Der Baltasar, der schwarze Mann,
malt mit Kreide den Türstock an.
Gebt Pinke schnell dem feinen Pinkel,
sonst pinkelt er euch in den Winkel!

Gebt uns schnell Knete, gebt uns Moos,
dann seid ihr uns schnell wieder los.

R@iner im Jänner 1993
(Genervt von der alljährlichen Sternsingeraktion - ist Hausieren eigentlich verboten, oder nicht?)